Menschen sind dafür gemacht, gemeinsam zu denken, zu lernen, Entscheidungen zu treffen
31 Mar, 2025
Jörg Petzold
von Politics for Tomorrow

„Wir können uns eher das Ende der Welt vorstellen als das Ende unseres gegenwärtigen Lebensstils.“ – Das leicht abgewandelte Zitat von Mark Fisher trifft den Kern unseres Problems: Unser Lebensstil bedroht die Lebensgrundlagen von menschlichem und nichtmenschlichem Leben, doch die notwendige Veränderung bleibt größtenteils aus. Wir haben in einem Konsortium aus WWF, Ökoinstitut, Ellery Studio, Wuppertal Institut und Politics for Tomorrow den Beteiligungsprozess Ressourcenleicht Leben 2045 aufgesetzt, um gemeinsam Wege in eine zukunftsfähige Gesellschaft zu erforschen – mit weniger Ressourcenverbrauch und gleichzeitig hoher Lebensqualität. Der Fokus liegt auf Inspiration statt Verzicht, auf kollektiver Vorstellungskraft als Basis für kollektives Handeln.

Was ist die Grundlage unserer Herangehensweise?

Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaft und Umweltbewegungen vor den Folgen unseres Wirtschaftens. Spätestens seit der Publikation der “Grenzen des Wachstums” 1972 durch den Club of Rome ist die Zerstörung mit Daten und Fakten belegt und kommuniziert. Doch weder diese Fakten, omnipräsentes Expert:innenwissen, Moralpredigten oder Schuldgefühle noch “der Markt” oder technologische Lösungen konnten bisher die notwendigen gesellschaftliche Veränderung auslösen. Die Konzentration auf das Management von Emissionen oder Verbräuchen weckt in Menschen keine Lust auf Veränderung.

Was wir stattdessen brauchen:

Menschen verändern sich nicht durch Zahlen, sondern durch Beziehungen, Erlebnisse und gemeinsame Visionen. Studien zeigen: echte Beteiligung, Vielfalt und positive Zukunftsbilder sind zentrale Treiber für Transformation. Eine aktive und partizipative Veränderungskultur, die sich durch gegenseitiges Vertrauen, Widerstandsfähigkeit und Vielfalt auszeichnet, ermöglicht komplexe Lösungsansätze für komplexe Krisen.

Die Intelligenz der Vielen

Komplexe Krisen überfordern. Individuelles Engagement wirkt klein angesichts globaler Probleme. Doch wenn Menschen Wissen und Erfahrungen teilen, entsteht kollektive Intelligenz. Wir Menschen sind gar nicht so gut darin, auf individueller Ebene komplexe und sinnvolle Entscheidungen zu treffen – erst recht nicht in Zeiten maximaler Beschleunigung. Bildungsforscherin und Autorin Nora Bateson sagt dazu: “Menschen brauchen Menschen. Sie sind dafür gemacht, gemeinsam zu denken, zu lernen, Entscheidungen zu treffen. Kognition, also Denken, findet vor allem in Beziehung statt – in Beziehung zwischen dem, was ich schon kenne, und etwas Neuem – und das funktioniert besonders gut im Austausch gelebter Erfahrungen mit anderen Menschen.”

Warm Data Lab

Es gibt wenige Räume in unserem Alltag, in denen die Komplexitäten gesellschaftlicher Fragestellungen adressiert werden können. Deshalb hat Nora Bateson “Warm Data Labs” entwickelt. Sie ermöglichen einen Prozess, bei dem Menschen kalte Zahlen und Fakten an ihr persönliches Erleben anbinden. Auf diese Weise können aus theoretischen Diskursen tief im persönlichen Erleben verankerte Werte und Haltungen entstehen.

Neues Denken

Anstatt komplexe Fragen schnell herunterzubrechen auf einfache und leicht greifbare Kerngedanken, entstehen im Austausch vielfältige Perspektiven. Je mehr Facetten wir erkennen, desto klarer werden die Muster und Narrative hinter unserem Denken und Handeln sichtbar. Deshalb benutzen wir das Warm Data Lab auch in diesem Projekt.

Konkret haben wir in unserem Warm-Data-Prozess gefragt, was für die Teilnehmenden Wohlstand in sich verändernden Zeiten bedeutet. Die Diskutant:innen diskutierten in ständig wechselnden Konstellationen und im Rahmen unterschiedlichster Kontexte (Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Ökologie, Spiritualität u.a.) ihre persönlichen Erfahrungen. Eigene Ambivalenzen wurden sichtbar und kreierten Momente der konstruktiven Verunsicherung und Verletzlichkeit in Bezug auf das Thema.

Durch Verunsicherung und gegenseitiges Lernen entsteht neues Denken – und dieses neue Denken ist ein Turbobooster für die visionäre Vorstellungskraft. Sie wiederum speist neue Erzählungen über mögliche Zukünfte und damit sowohl unsere Haltung zur Welt als auch unsere Handlungen in der Welt.

Klare Haltungen und inspirierende Visionen sind ansteckend und verbreiten sich unkontrollierbar. So entsteht langsam und unaufhaltsam gesellschaftliche Veränderung, die demokratisch gestaltet wird. “Lebendige komplexe Systeme verändern sich oft auf unsichtbare und unkontrollierbare Weise, und unsere Herausforderung besteht darin, ein Umfeld zu schaffen, das dies ermöglicht”, sagt Nora Bateson.

Das ist unser Ziel!

Veränderung entsteht nicht durch Druck, sondern durch die Lust auf eine lebenswerte Zukunft – für alle.

Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen spiegeln die Sichtweise des jeweiligen Projektpartners wider.