Warum der WWF die Ressourcenhalbierung zur Priorität macht – und was das für uns bedeutet
31 Mar, 2025
Björn Schulz
von WWF Deutschland

Ressourcen sind überall. Sie begleiten uns durch den Alltag – oft, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen. Beton und Stahl tragen unsere Häuser, Baumwolle wärmt uns als Decke, Getreide nährt uns als Brot, und Kunststoffe erleichtern den Alltag oder retten in der Medizin Leben. Jedes Haus, jede Autofahrt, jedes Möbelstück, jede Nachricht, jeder Klick ist eng verwoben mit den Ressourcen dieser Erde. Was uns selbstverständlich erscheint – das Dach über dem Kopf, die Wärme auf der Haut, die Nähe trotz Entfernung – ist tief verwurzelt in Materialien, die uns der Planet zur Verfügung stellt. Doch was wir entnehmen, hinterlässt Spuren. Wie wir wohnen, reisen und kommunizieren – all das prägt unser Leben und die Zukunft, die wir hinterlassen. 

Leben auf Pump: Unser Ressourcenverbrauch ist nicht nachhaltig 

Stell dir vor, dein Konto ist bereits Mitte des Monats leer – aber du gibst trotzdem weiter Geld aus. Genau so leben wir aktuell, wenn es um die Nutzung unserer natürlichen Ressourcen geht. Würden alle Menschen weltweit so konsumieren wie wir in Deutschland, bräuchten wir drei Erden. Das Problem? Wir haben nur diese eine. 

Jede Person in Deutschland verbraucht derzeit etwa 16 Tonnen Rohstoffe pro Jahr – mehr als doppelt so viel wie nachhaltig wäre. Das entspricht rund zwei voll beladenen Lkw, die für jede einzelne Person jährlich bewegt werden. Laut Wissenschaft liegt ein umweltverträglicher Rahmen bei 5 bis 8 Tonnen pro Person und Jahr. Konkret bedeutet das: Wir müssen unseren Ressourcenverbrauch bis spätestens 2045 halbieren. Dieses Ziel ist nicht nur eine wissenschaftliche Notwendigkeit, sondern seit letztem Jahr auch Teil der nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie der Bundesregierung. 

Denn: Unser hoher Ressourcenverbrauch hat drastische Folgen für die Umwelt. Der Abbau und die Verarbeitung von Rohstoffen verursachen über 50 % der weltweiten Treibhausgasemissionen und sind für 90 % des Biodiversitätsverlustes verantwortlich. Doch die Auswirkungen enden nicht dort: Viele Materialien werden nicht wertgeschätzt und landen als Müll in der Natur – in unseren Böden, Flüssen und Meeren. Plastikabfälle verschmutzen die Ozeane, Mikroplastik gelangt in die Nahrungskette, und giftige Rückstände belasten die Umwelt. Diese Zahlen machen deutlich: Ohne eine drastische Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs gefährden wir nicht nur das Klima, sondern auch die Vielfalt des Lebens und die Gesundheit unseres Planeten.  

Die Halbierung unseres Ressourcenkonsums ist kein “Nice-to-have”, sondern eine absolute Notwendigkeit, um unsere Lebensgrundlagen zu sichern 

Die große Frage: Wie schaffen wir das? Die letzten Jahre blieb der Konsum stabil – ein klarer Trend zur Halbierung ist nicht erkennbar. Diese Herausforderung ist also gewaltig. Wie beginnt man so eine Veränderung – und wer muss handeln? Allein sich ein Leben mit nur 8 Tonnen Ressourcenverbrauch vorzustellen, ist schwierig. Was genau sind 8 Tonnen – und was ist darin enthalten? Wie könnte ein Leben aussehen, das diese Grenze einhält? Dabei stellt sich auch die Frage: Was können wir als Einzelne beeinflussen – und wo sind Politik und Unternehmen in der Pflicht? Während wir entscheiden, wie wir wohnen oder reisen, bestimmen Unternehmen, wie Produkte hergestellt werden, und der Staat gestaltet die Infrastruktur wie Schienen oder Straßen. 

 

Und selbst wenn wir wissen, was zu tun ist – wie setzen wir es um? Veränderungen im Alltag sind nicht einfach. Wer hat nicht schon einmal Neujahrsvorsätze gefasst – nur um sie ein paar Wochen später wieder zu vergessen? Was hilft also? Vorstellbarkeit schaffen: Wenn wir eine klare Vorstellung davon haben, wie ein ressourcenschonender Lebensstil aussieht, fällt der Wandel leichter. 

Genau hier setzt unser Projekt “Ressourcenleicht Leben 2045” an. Wir wollen nicht nur zeigen, wie notwendig die Halbierung des Ressourcenverbrauchs ist – sondern auch, wie ein gutes Leben und eine gute Zukunft innerhalb der planetaren Grenzen aussehen kann. 

Unsere Zukunft ist nicht eindimensional, sondern vielfältig. Jeder Mensch bringt eigene Werte und Vorstellungen vom guten Leben mit. Manche sehnen sich nach Vertrautem, andere suchen unkonventionelle Wege. Es gibt verschiedene Lebensmodelle – sei es die Familie auf dem Land, das Paar in der Vorstadt oder der Single in der Stadt – jedes mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Doch so unterschiedlich diese Leben auch sind, sie können alle nachhaltig und innerhalb der planetaren Grenzen bleiben. 

Wir wollen deswegen unterschiedliche Zukünfte aufzeigen. Für eine Familie auf dem Land könnte eine Zukunft vielleicht so aussehen: Ihr Haus teilt sich eine gemeinsame Energieversorgung mit den Nachbarn – mit Solarstrom vom Scheunendach. Fahrzeuge müssen nicht mehr jeder besitzen – ein E-Auto im Gemeinschaftsleasing deckt den Bedarf. Die alte Milchküche wurde zum Treffpunkt für Reparatur-Workshops und Ernteaustausch. Bewährtes bleibt – aber ressourcenleicht und zukunftsfähig. 

Für Menschen in der Stadt könnte eine ressourcenleichte Zukunft so aussehen: Kinder können auf den Straßen friedlich spielen, weil die Mobilitätswende komfortablen Verkehr auch ohne Autos ermöglicht. Es gibt regelmäßige Straßenfeste, spontane Dinner auf dem Bürgersteig und Initiativen für Straßenmöbel-Verleih. Kurz: Weniger Einsamkeit, mehr Miteinander. 

Ein Blick in die Zukunft 

Mit dem Projekt „Ressourcenleicht Leben 2045“ gehen wir genau diesen Weg. Unsere Vision: Alltage, in denen weniger Ressourcenverbrauch nicht als Verzicht, sondern als Bereicherung erlebt wird. Doch was bedeutet das für uns konkret? Wie kann ein Alltag aussehen, der in Einklang mit den planetaren Grenzen lebt und trotzdem lebenswert bleibt? In diesem Projekt geht es nicht nur um die Theorie, sondern vor allem darum, wie wir gemeinsam konkrete Lösungen finden, die den Wandel ermöglichen. 

Unser Ansatz basiert auf drei wesentlichen Bausteinen: 

  • Wissenschaftliche Modellierung: Durch detaillierte Analysen zeigen wir auf, wie es in verschiedenen Lebenswelten möglich ist, den Ressourcenverbrauch zu halbieren – ob in der Stadt oder auf dem Land, ob für junge Menschen oder ältere Generationen. Wir entwickeln konkrete Bilder und Alltage, die das 8-Tonnen-Ziel einhalten. 
  • Bürgerbeteiligung: In einem engen Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern entwickeln wir in Workshops und Gesprächsrunden konkrete Bilder eines ressourcenleichten Lebens. Diese Visionen sind direkt am Alltag  und nah am Menschen orientiert. 
  • Neue Narrative und Kommunikation: Der Wandel braucht neue Geschichten. Wir suchen kreative Wege, den Weg hin zu einem ressourcenschonenden Leben zu kommunizieren, sodass er nicht abschreckend, sondern inspirierend wirkt. Mithilfe von Geschichten und konkreten Beispielen zeigen wir, wie ein ressourcenleichtes Leben aussieht – und warum es so bereichernd sein kann. 

Die Dreifachkrise aus Klimawandel, Artensterben und Umweltverschmutzung ist längst keine abstrakte Bedrohung mehr – sie betrifft uns alle. Gemeinsam können wir eine Zukunft gestalten, in der Ressourcenverbrauch nicht mit Verzicht gleichgesetzt wird, sondern als ein Weg zu einem besseren Leben verstanden wird. Was braucht es also, damit wir alle aktiv an einer Zukunft mit halbiertem Ressourcenkonsum mitwirken können?