Wenn man lange genug in der Nachhaltigkeitsblase lebt, kennt man die Diskussion: Wir sollten den Ausstoß von Emissionen so weit reduzieren, dass die globale Erderwärmung unter 2 Grad bleibt, und wir entwickeln verschiedene Lösungen, um dieses Ziel zu erreichen: Elektroautos, erneuerbare Energien, weniger Fleisch essen. Normalerweise würde ich jetzt anfangen zu erklären, dass auch unser Ressourcenverbrauch äußerst relevant für die Klimaemissionen ist und das durch viele wissenschaftliche Studien belegen. Aber das wäre eine Menge trockene Wissenschaft. Außerdem stimmen die meisten Menschen wahrscheinlich sowieso zu, dass Klima- und Ressourcenschutz eigentlich wichtig sind. Die eigentliche Frage ist doch: Was würde diese Themen für uns und für Politiker so relevant machen, dass wir dafür tatsächlich unser Verhalten ändern würden?
Mit dem Projekt „Ressourcenleicht leben 2045“ wollen wir das Thema Ressourcenverbrauch aus der wissenschaftlichen Bubble herausholen und ins öffentliche und politische Bewusstsein rücken.
Während CO2-Emissionen hauptsächlich für den Klimawandel relevant sind, wirken sich die Gewinnung, Verarbeitung und der Verbrauch von Rohstoffen nämlich auf ganz verschiedene natürliche Systeme aus und sind daher mindestens genauso wichtig. Sie sind beispielsweise die Hauptursache für Abfall, Flächenverbrauch und für die Gefährdung der Biodiversität – und verantwortlich für etwa 40 % der deutschen Klimaemissionen.
Die Idee für das Projekt entstand so: Verschiedene Studien haben untersucht, wie viele Ressourcen uns weltweit eigentlich zur Verfügung stehen und wieviel davon jede Person verbrauchen könnte, wenn wir sie fair verteilen würden. Wenn wir wollen, dass jeder Mensch das gleiche Recht darauf hat, seine Bedürfnisse zu erfüllen, würden jeder Person pro Jahr ungefähr 5 bis 8 Tonnen Ressourcen zustehen.2 Aktuell liegt unser Ressourcenverbrauch in Deutschland jedoch bei rund 16 Tonnen pro Person und Jahr – also ungefähr doppelt so hoch (im Jahr 2019).
Um einen Korridor für nachhaltigen Konsum zu erreichen, müssten wir unseren Ressourcenverbrauch pro Kopf daher ungefähr halbieren. Mehrere Studien zeigen uns, was politisch notwendig wäre, um diese Ziele zu erreichen. Problem gelöst? Leider nein. Politik kann bestenfalls versuchen, einige der notwendigen Maßnahmen umzusetzen, hat aber in letzter Zeit zunehmend Gegenwind gegen die sogenannte grüne Agenda erfahren. Dieser Gegenwind ist zum Teil auf Fehlinformationskampagnen und schlechte Kommunikation zurückzuführen – aber auch auf die Tatsache, dass es sich um eine Vision „von oben“ handelt, die der Öffentlichkeit von „Experten“ präsentiert wird, die sich anmaßen zu wissen, was jeder zu tun hat. Steffen Mau erklärt in seinem Buch „Triggerpunkte“, dass die Mehrheit der deutschen Bevölkerung Maßnahmen gegen den Klimawandel nach wie vor befürwortet. Wenn wir jedoch das Gefühl haben, dass die Lasten ungerecht verteilt sind, erreichen wir sogenannte emotionale Triggerpunkte. Warum sollten Menschen mit geringen Einkommen dafür bezahlen, die Emissionen der Reichen auszugleichen oder deren elektrische SUVs zu subventionieren? Populistische Parteien nutzen diese Triggerpunkte, um Emotionen zu schüren und Widerstand gegen politische Maßnahmen hervorzurufen. Neben der Berücksichtigung von Fairness und Transparenz bei der Gestaltung und Kommunikation von politischen Maßnahmen sollten wir die Diskussion daher auch zurück in die Mitte der Gesellschaft bringen, indem wir mit den Menschen direkt ins Gespräch kommen, um zu erfahren: Was ist Euch wichtig? Was inspiriert und motiviert Euch? Was macht Euch ängstlich oder wütend?
Wir alle haben ein Interesse an einer guten Zukunft und wir alle können sie gestalten. Aber was würde es für unser persönliches Leben eigentlich bedeuten, wenn wir den Ressourcenverbrauch in Deutschland halbieren würden? Wäre das eine Rückkehr in die Steinzeit und eine Absage an ein schönes Leben? Oder können wir tatsächlich unser Bedürfnis nach einem glücklichen und zufriedenen Leben erfüllen, und gleichzeitig die Grenzen unseres Planeten einhalten? Angesichts rasanter technologischer Entwicklungen, düsterer Zukunftsprognosen und des unerbittlichen Stroms an oft negativen Nachrichten wird es immer schwieriger, sich auf unsere wahren Prioritäten zu besinnen. Hartmut Rosa spricht von „Resonanz“, jenen Momenten, in denen man sich auf einer tieferen Ebene mit der Welt um einen herum verbunden fühlt, sei es mit der Natur oder mit anderen Menschen. Wenn wir unsere Bedürfnisse und Wünsche für die Zukunft in den Mittelpunkt stellen glauben wir, dass es möglich ist, attraktive Zukunftsbilder zu entwerfen, die uns alle inspirieren und motivieren können.
Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit Umweltfragen, aber bis vor Kurzem habe ich nie versucht, mir vorzustellen, wie es sein würde, tatsächlich in der Zukunft zu leben, auf die ich hinarbeitete. Ich hatte eine Vorstellung vom Ziel, aber nicht davon, wie es sein würde, es erreicht zu haben. Habt ihr euch jemals gefragt, wo Ihr in 20 Jahren leben werdet und wie? Mit wem Ihr Zeit verbringen werdet? Wie Eure Arbeit aussehen wird? Was ihr um Euch herum hören und riechen werdet? Werdet ihr eine Brise auf Eurer Haut spüren? Wenn wir uns diese Welt vorstellen, wird sie greifbarer.
Für mich bedeutet eine gute Zukunft nicht, mit einem Elektroauto an Windrädern vorbeizufahren. Es bedeutet, dass ich positive Beziehungen zu Freunden, meiner Familie und den anderen Menschen um mich herum habe, dass ich Zeit habe, die Dinge zu tun, die mich interessieren, die mich zum Lachen bringen, die mich inspirieren und mir Energie geben, zum Beispiel Tanzen oder eine Wanderung in der Sonne. Ich möchte mich durch meine Arbeit erfüllt fühlen, in dem Wissen, dass sie einen positiven Unterschied für die Welt und die Menschen um mich herum macht. Ich weiß, dass dies schon jetzt meine wahren Prioritäten sind, aber in der heutigen Welt vergesse ich nur allzu leicht, innezuhalten und ab und an in den Himmel zu schauen.
Das Projekt „Ressourcenleicht Leben 2045“ soll uns die Möglichkeit bieten, zu verstehen, was es bedeutet, in einer Zukunft zu leben, in der wir nur halb so viel verbrauchen, aber vielleicht genau so glücklich sind wie heute.
Oder sogar glücklicher, weil wir unsere Träume und Visionen verwirklichen können, indem wir uns auf die wirklich wichtigen Dinge in unserem Leben konzentrieren. Unser Projektteam erstellt aktuell ein Modell des aktuellen und des zukünftigen Ressourcenverbrauchs, das uns zeigen soll, wie unser Ressourcenverbrauch in verschiedenen Lebenswelten aussieht und welche die größten Hebel und Potenziale sind, um ihn zu reduzieren. Rund 30 Teilnehmende dazu werden ihre eigenen Visionen für die Welt im Jahr 2045 entwickeln und wir werden versuchen, Aspekte davon zu modellieren – um zu sehen, wie nah wir an die Halbierung des Ressourcenverbrauchs kommen können. Während des Prozesses hoffen wir zu verstehen, welche Aspekte für die Menschen wichtig sind, um in Zukunft einen geringeren Ressourcenverbrauch zu erreichen – und gleichzeitig ein schönes Leben.
Meine Zukunft ist nicht Eure Zukunft. Daher wollen wir diese Reise mit Menschen unterschiedlichster Herkunft – vom Land und aus der Stadt, in unterschiedlichen Lebensphasen und mit unterschiedlichen Berufen – unternehmen. Wir hoffen, dass wir auf diese Weise Zukunftsbilder zeichnen können, die mit den tatsächlichen Wünschen der Menschen in Verbindung stehen: Zukünfte, für die es sich zu kämpfen lohnt und die sich gegen populistische Angst und Spaltung behaupten können.
Die in diesem Artikel geäußerten Meinungen spiegeln die Sichtweise des jeweiligen Projektpartners wider.